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Konfliktmanagement – für Scrum Teams ein Muss! (Teil 1)

In Stellenausschreibungen für agile Coaches oder Scrum Master wird häufig Konfliktmanagement-Kompetenz gefordert. Das verdeutlicht ganz direkt, dass man sich in den betreffenden Positionen mit Konflikten beschäftigen muss, und das ist für Stellenausschreibungen höchst ungewöhnlich. Deren sonst durchwegs positive Konnotation wird durchbrochen. Ich vermute, dies geschieht aus zwei Gründen:

  1. In der Scrum Community herrscht eine große Offenheit, auch über Probleme und Hindernisse zu sprechen. Das Beseitigen von Hindernissen ist ja eine der Hauptaufgaben von Scrum Mastern. Und so wird auch das Vorhandensein von Konflikten ganz ohne Scheu angesprochen.
  2. In agilen Organisationen wird die Bedeutung von sozialen und persönlichen Kompetenzen generell höher bewertet. Damit hat auch das Bearbeiten und Lösen von Konflikten einen höheren Stellenwert.

Diese neue Offenheit stellt eine große Chance für Organisationen dar, die auf Scrum umstellen. Und es kann einen Weg aufzeigen für diejenigen, die sich nur einige Element von Scrum für ihre Organisation herauspicken möchten.
Wie entstehen Konflikte in Scrum Teams und wie kann ein wirkungsvolles Konfliktmanagement aussehen?

Neue Formen der Zusammenarbeit führen zu Reibungspunkten

Im Rahmen einer Umstellung auf Scrum oder auch Kanban entstehen völlig neue Formen der Zusammenarbeit, die gerade in der Phase des Übergangs zu Reibungspunkten führen. Verschiedene Szenarien beleuchten das.

Szenario 1

Scrum Teams diskutieren ergebnisorientiert und mit knappen Zeitvorgaben, sie sollen Entscheidungen treffen, die alle mittragen, das Management ist außen vor und setzt nur den Rahmen. Die Mitglieder des meist interdisziplinären Teams bringen jedoch ganz verschiedene Erfahrungen und Hintergründe ein, setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Daraus eine gemeinsame Richtung zu entwickeln ist alles andere als trivial.
Da sie diese Form der Zusammenarbeit bisher jedoch wenig praktiziert haben (das Management hat die Entscheidungen getroffen!) und die unterschiedlichen Abteilungs- und Bereichsinteressen ungefiltert aufeinander treffen, gibt es nicht die erwarteten Inkrements (Fortschritte), der Scrum Master ist überfordert, das Management wird ungeduldig … und schließlich stehen alle unter Stress, was es nur noch schlimmer macht …

Szenario 2

Die Menschen kommen sich ziemlich nahe bei dieser Form der Zusammenarbeit. Scrum ist ja sinnbildlich ein „Menschenhaufen“, entlehnt aus dem Rugby, wo die Spieler eng zusammen stehen um die nächsten Spielzüge abzustimmen. Dabei entstehen Spannungen, Antipathien, Konflikte wie von selbst – zwischen Einzelnen oder im gesamten Team. Der Scrum Master müsste vermitteln, moderieren, in Zweiergesprächen klären, aushandeln. Aus seiner vorherigen Rolle kennt er das aber nicht – da war er für Technik verantwortlich und Besprechungen hat er eher gemieden …

Szenario 3

Alle kennen zwar ihre Rollen, das Management weiß, dass es sich nicht einmischen soll, der Scrum Master soll sich – mit den erforderlichen sozialen Kompetenzen ausgestattet – um Team und Impediments kümmern, das Team entwickelt sich zum Hochleistungsteam – aber keiner hält sich an diese Vorgaben. Das Management mischt sich ständig ein, der Scrum Master würde sich lieber wieder ausschließlich um die Technik kümmern, das Team ist eine zusammengewürfelte Truppe ohne Teamgedanken, und der Product Owner verhält sich eher wie ein Projektmanager …

Andere Wege des Konfliktmanagement finden

Wie können Agile Coaches oder Scrum Master, aber auch Product Owner und Teammitglieder mit diesen Situationen umgehen? Weder Scrum Master noch Product Owner haben eine formelle oder hierarchische Macht. Der Agile-Experte Felix Rüssel sagt dazu:

„Veränderungen führen zu Konflikten. Sind alle darauf vorbereitet mit Konflikten richtig umzugehen? Hat die Organisation Antworten auf die Fragen die in den Gesprächen gestellt werden? Hat die Organisation die Kraft die Konflikte zu lösen? Meine Erfahrungen hier sind ernüchternd. Mir ist keine ältere Organisation bekannt, die gut mit Konflikten umgehen kann.“

Felix Rüssel

Organisationen sind traditionell so strukturiert, dass Konflikte erst gar nicht entstehen sollen, durch eine klar geregelte Aufbau- und Ablauforganisation, durch informelle Koalitionen und Netzwerke, durch Machteinsatz usw. Das funktioniert schon nicht so richtig in der Aufbau- und Ablauforganisation, und wenn sie auf Scrum umstellen, noch viel weniger. Deshalb braucht es gerade in der Umstellungsphase ein Konfliktmanagement-Konzept, das allen Beteiligten Möglichkeiten der Konfliktanalyse und Lösungsfindung aufzeigt.

Scurm bietet die Chance, den Stier bei den Hörnern zu packen

Scrum bietet die Chance, den Stier bei den Hörnern zu packen und Konfliktmanagement-Kompetenz als Basisqualifikation für agile Organisationen zu verstehen.

Bei einer Befragung von Boris Gloger und André Häusling in der Scrum-Community wurde das bestätigt:
In den sozialen Kompetenzen ist das Profil des Scrum Masters ausgeglichen: Empathie, Konflikt-Management, Begeisterungsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Kommunikationsstärke, Organisationsfähigkeit und Überzeugungsfähigkeit werden in gleich starker Ausprägung des Beherrschens gefordert. Ausgewogen ist das Profil auch bei den persönlichen Kompetenzen: Selbstdisziplin, Integrität, Kritikfähigkeit sowie Selbstreflexionsfähigkeit stellen zentrale Forderungen dar.“1)

Aus meiner Sicht ist das eine große Chance für Unternehmen, die agile Tools und Prozesse einführen: endlich eine seit langem ausgemachte Schwachstelle von Organisationen zu adressieren, indem die Fähigkeit der darin arbeitenden Menschen, mit Konflikten professionell umzugehen, konsequent ausgebaut wird. Durch die große Transparenz von Scrum, wo Fortschritte oder eben auch Stillstand so deutlich sichtbar werden, entsteht eine größere Bereitschaft bzw. ein größerer Leidensdruck, nicht mehr zu akzeptieren, dass schwelende Konflikte enorm viel Produktivität kosten und Motivation verhindern.

 

Folgende Maßnahmen für ein professionelles Konfliktmanagement sind hilfreich:

  1. Konfliktmanagement-Trainings für Scrum Master und Product Owner als Basisqualifizierung. Hier werden spezifische, im Scrum-Umfeld entstehende Konflikte dargestellt und Lösungswege aufgezeigt. Die Rolleninhaber lernen die Wege kennen, die sie in Übereinstimmung mit dem Scrum-Guide gehen können. Sie wissen um die Reibungen, die üblicherweise bei der Umstellung auf Scrum entstehen und können angemessen darauf reagieren.
  2. Scrum Teams steht bei Bedarf individuelle Konfliktberatung zur Verfügung. Jedes Teammitglied kann diese Beratung beantragen.
  3. Eine Gruppe von Scrum Mastern und Product Ownern trifft sich regelmäßig, um sich über Konflikte und Spannungen in ihren Scrum Teams auszutauschen. In der gegenseitigen kollegialen Beratung erproben Sie Analysetools und erarbeiten Lösungen im Sinne einer kollegialen Fallberatung. Insbesondere in diesen „Konflikt-Retrospektiven“ bauen Scrum Teams allmählich ihre Konfliktmanagement-Kompetenz aus. Das wiederholte Reflektieren von Praxisfällen und das Erarbeiten von individuellen Lösungen erzeugt die erforderliche Handlungskompetenz.
  4. Kompakt-Qualifizierung für das Management: Was bedeuten agile Strukturen für Führungskräfte? Wie genau sieht deren Rolle aus, was wird von ihnen verlangt? Welche Konflikte sind typisch bei der Einführung agiler Strukturen und wie können sie bei der Aufarbeitung einen sinnvollen Beitrag leisten?

Durch all diese Maßnahmen erhöht sich zunächst die Wahrnehmungsfähigkeit für Konflikte, insbesondere für Konflikte, die noch nicht so weit eskaliert sind. Konflikte in solch einem frühen Stadium können von Scrum Teams mit relativ einfachen Methoden bearbeitet werden. Denn richtig schwierig ist insbesondere die Analyse und Lösung weit eskalierter Konflikte. Die Früherkennung von Konflikten ist deshalb einer der Königswege im Konfliktmanagement.

Fazit

Agile Organisationen bieten die Chance, mit der Konfliktvermeidung und -leugnung tradierter Organisationen zu brechen. Scrum funktioniert nur dann, wenn die Menschen spannungsfrei, mit den richtigen Methoden und motiviert zusammen arbeiten. Insofern ist Konfliktmanagement in einer agilen Organisation ein ganz wesentlicher und definierter Bestandteil des Erfolgskonzepts.

1)http://www.computerwoche.de/a/scrum-auf-der-suche-nach-visionaeren-und-coaches,1233504

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